Die Bibel lügt. Gott hat vor langer Zeit das Handtuch geworfen.
Der ehemalige Flughafen Tempelhof im Sommer 2012. Menschen sitzen in der warmen Sonne. Es wird gegrillt, gespielt und gelacht. Zwischen Picknickdecken und spielenden Kinder fügt sich ein Haus mit niedlichen Gardinen in die sommerliche Idylle. Auf dem gleichen Grundstück, im sorgfältig gemähten Garten, steht ein verlassener Turm. Oben, auf einer Ablage, steht inmitten von sonderbarem Werkzeug ein Becher mit noch warmem Kaffee. Die Zettel mit wirren Notizen sehen aus, als hätte gerade noch jemand an ihnen gearbeitet. Wer von hier aus auf die Wiesen herunterschaut, spürt eine Ahnung von Unheil in der Luft. Die heile Welt ist eine Kulisse. Erst aus der Vogelperspektive lassen sich die Systemfehler erkennen.
Die Bibel lügt. Gott hat vor langer Zeit das Handtuch geworfen. Aber die Menschheit weiß das nicht. Mit ihren Fahrrädern und Sommerhüten hat sie den Weltuntergang verschlafen. Das ist auch gut so, findet zumindest Metatron. Er, die Stimme Gottes, entsagt dem Herrn seine rechtmäßigen Dienste und weigert sich, die finale Nachricht zu verkünden.
Menschen sind Schafe und er nun ihr Hirte. Das Wissen um die Welt und was sie wirklich zusammenhält, würde nur ihren Zerfall bedeuten. Das hat sie nicht verdient. Die mystische Illusion, die virtuelle Realität ist ihre einzige Hoffnung.
In der Zentrale der Matrix, der Werkstatt des Metatron, die sich hinter den Gardinen verbirgt, sieht die Welt so aus, wie sie eigentlich ist. Wir entdecken eine dunkle Kammer und rüttelnde Gitterstäbe, hören lautes Stimmengewirr, es riecht nach Pech und Schwefel. Hier verwahrt Metatron die Systemfehler und die Verschwörungstheoristen, die Ungläubigen und all jene Plagegeister, welche die intakte Benutzeroberfläche gefährden könnten.
Im Grenzbereich von Kitsch und Fäulnis inszenieren machina eX ein apokryphes Universum, das verdeckt bleiben soll, sich aber immer wieder offenbart. Wir brechen ein und rutschen hinab, in ein Abenteuer, das zwischen Weltuntergangsfantasie, Entdeckungsreise und Erlebnispark oszilliert.
Premiere / Spielorte
Premiere im Juni 2021 im Rahmen der Grossen Weltausstellung 2012 – THE WORLD IS NOT FAIR. Eine Veranstaltung von HAU Hebbel am Ufer und raumlaborberlin, Berlin
Credit: Mathias Prinz
Matthias Weigel, nachtkritik.de
„Ein Highlight, dass sehr wohl für sich selbst stehen kann (…) Die rechtzeitige Entschlüsselung der clever designten und technisch perfekten Prüfungen lässt unwillkürlich den Puls in die Höhe schnellen.“
Von: Anan Fries, Robin Krause, Laura Schäffer and Philip Steimel /// Sound Design: Malu Peeters /// Performance (Audio): Christian Eckert, Nigel Dunkley
Produktion: machina eX. Gefördert durch HAU Hebbel am Ufer